29.03.2025
Ich habe heute einem Seminar beigewohnt, da ging es darum, wie es gelingen kann, mit seinem Pferd entspannt spazieren zu gehen. Spazieren gehen ist mit Lukas derzeit gar nicht möglich und ich habe mir Inspiration erhofft. Außerdem finde ich die Denk- und Arbeitsweise der Dozentin Sarah Endrich (Zusammen Frei) sehr ansprechend, denn sie arbeitet nur mit positiver Verstärkung. Ihre Videos sprechen für sich, wie sie mit ihren Pferden am Halsring entspannt an einer Wiese vorbeigehen kann. Das will ich auch. Sie nennt ihre Pferde Weggefährten. Das will ich auch.
Da es ein kostenfreies Seminar war, habe ich nicht super viel Inhalt erwartet, aber zumindest Inspiration für einen neuen Denkansatz. Und die habe ich bekommen. Mir sind drei Aussagen von dem Seminar besonders im Gedächtnis hängen geblieben:
- Man sollte seinen Fokus weg von den Fehlern hin zu dem Verhalten legen, was gut und erwünscht ist. Als Beispiel nannte sie ein Diktat, in dem nur die Fehler markiert sind. Viel motivierender wäre es doch, wenn alles grün markiert wäre, was richtig ist und der Rest einfach ausgelassen worden wäre. Diesen Gedanken finde ich sehr interessant und werde ihn bestimmt die nächsten Tage und Wochen mit mir herumtragen.
- Gras fressen kann auch eine Stressreaktion sein. So habe ich das noch nie betrachtet. Ich dachte immer, wenn Lukas stehen bleibt und „einfriert“, dann aber zum Gras zieht, kann es ja nicht sein, dass er Angst hat, weil er ja fressen kann. Aber seit heute habe ich eine neue Betrachtungsweise an die Hand bekommen: das Grasfressen ist eine Art Eigenregulation des Pferdes, um seinen Stress abzubauen.
- Futter hilft, das Stresslevel eines Pferdes einzuschätzen. Auch das wusste ich bisher noch nicht. Ich dachte, wenn er frisst, hat er keinen Stress, ansonsten würde er kein Futter annehmen. Aber der Gedanke, dass es auch noch viele Grautöne dazwischen gibt, ist so naheliegend, dass ich mich glatt über mich selbst ärgere.
Die Hauptaussage war jedenfalls, dass die Reize auf einem Spaziergang dem Pferd Stress bereiten und man ihm helfen sollte, diesen zu regulieren. Das Wie kenne ich noch nicht, aber ich werde morgen auf jeden Fall auf Stresssignale achten. Denn ich würde wirklich gern mit Lukas spazieren gehen.
Sarah bietet auch einen Online-Kurs an, den ich aber momentan nicht machen will. Erst mal möchte ich es selbst versuchen, bevor ich viel Geld ausgebe. Außerdem fängt der Kurs gerade dann an, wenn ich im Urlaub bin, das passt mir nicht so richtig gut.
Gestern war ich auch bei Lukas.
Als ich ankam, wurde gerade das neue (sehr dünne) Pferd von seiner (nicht ganz so dünnen) Besitzerin geritten, die Nase fast bis an die Brust gezogen. Ich weiß nicht, ob das nur eine kurze Momentaufnahme war, direkt danach hat sie ihn am langen Zügel durch die Bahn trotten lassen, während sie ins Handy geschaut hat.
Lukas hatte diesmal deutlich mehr Lust, etwas zu tun. Aber auch ihm würde ein Spaziergang und damit Abwechslung vom Platz sicher mal guttun. Gestern haben wir im ersten Trainingsmodul am Führen gearbeitet (am Halsring), das hat ziemlich gut geklappt.
Im zweiten Modul habe ich dann spontan mal etwas Neues ausprobiert: ich habe die Longe als Zügel an den Kappzaum geknotet und versucht, klassische Bodenarbeit mit ihm zu machen, indem ich beide Zügel in der Hand habe und neben ihm laufe. Ich glaube, ich habe ihn mächtig überfordert. Dabei hat er sich wirklich Mühe gegeben. Ich habe nicht allzu viel verlangt, aber so oft, wie er stehen geblieben ist, wusste er wirklich nicht, was ich von ihm möchte. Das muss ich langsamer erarbeiten.
Die Seitwärtsgänge und die Vor- und Hinterhandwendungen hat er super gemacht. In der letzten Einheit sind wir dann einfach zusammen über den Platz gerannt, er die ganze Zeit hinter mir her. Ich hatte das Gefühl, es macht ihm Spaß. Danach durfte er nach Herzenslust grasen.
30.03.2025
Passend zum Kurs gestern konnte ich heute erst Kommunikation und später Stress in Reinform erleben.
Als ich zum Stall kam, zeigte mir Lukas sehr deutlich, wie wenig Lust er auf die gemeinsame Arbeit mit mir hatte. Ich wollte nicht wie sonst einfach hingehen und ihn zum mitgehen animieren, sondern warten, bis er von sich aus Interesse zeigt. Nun ja, das hat einerseits sehr gut geklappt, er hat nämlich kein Interesse gezeigt, andererseits überhaupt nicht, denn ganz auf sein Interesse konnte ich keine Rücksicht nehmen. Ich habe dennoch gewartet, insgesamt bestimmt 10 Minuten. Zum Schluss ist er dann doch in Richtung Tür gegangen. Zwar nicht zu mir, aber immerhin. Es war, als hätte ich deutlich in meinem Kopf gehört „Na gut, wenn du unbedingt willst, dann bringen wir es halt hinter uns“.
Am Putzplatz hat er dann angezeigt, dass die Plastikmarkierungen, die dort gerade zwischengelagert werden, ihm Angst machen, also habe ich ihn etwas weiter weg angebunden. Auch beim Putzen habe ich verstärkt darauf geachtet, was er möchte und was nicht. Ich habe es als Fortschritt empfunden, wenn er mir deutlich gezeigt hat, was er nicht möchte, z.B. durch Wegziehen des Beines, an dem ich gerade geputzt habe.
Heute hatte ich eigentlich vor, mit ihm entweder mal ein Stück spazieren zu gehen oder zumindest auf dem Platz an der klassischen Bodenarbeit mit Zügeln weiterzuarbeiten. Er hat deshalb heute extra ein Halfter aufbekommen.
Doch aus beiden Vorhaben wurde nichts. Es war windig und ich konnte mehr Stressanzeichen an Lukas wahrnehmen, als je zuvor. Wie konnte ich nur je denken, dass er ein gechilltes Pferd ist? Heute war er ein Nervenbündel wie selten zuvor. Oder, seien wir ehrlich, vorher habe ich es vielleicht einfach nicht wahrgenommen. Heute habe ich sehr darauf geachtet, ob sein Stehenbleiben ein „Freeze“, also ein starkes Stresssymptom, sein könnte oder pure Unlust. Also ich muss sagen, es war klar Stress. Sein Körper war angespannt, die Atmung deutlich hörbar.

Also haben wir uns heute darauf konzentriert, trotz unzähliger Reize durch den Wind, einigermaßen ordentlich auf dem Platz an der Führposition zu arbeiten. Und das ohne Gerte und ohne an ihm zu ziehen und zu drücken. Zuerst dachte, das geht gar nicht, aber es hat überraschend gut geklappt. Ich musste geduldig sein und warten, bis er selbst aus dem Freeze kommen konnte, aber dann ist er wieder mitgelaufen. Zudem habe ich jedes richtige Verhalten belohnt (das war heute unsere Clickerarbeit), also das ordentliche neben-mir-herlaufen in gutem Abstand.
Mehr als 6 mal je 5 Minuten Führtraining haben wir heute zwar nicht geschafft, aber ich bin trotzdem extrem stolz auf mich und auf Lukas. Die ganze Zeit hing der Führstrick lose herunter. Lukas ist zwar manchmal vor Schreck losgestürmt, aber trotzdem blieb der Strick locker und ich sicher, denn er hat auf mich geachtet und sich jedes Mal recht schnell wieder gefangen. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich glaube, heute war er auch froh, dass ich seine Nervosität ernstgenommen habe und ihm geholfen habe, sich zu beruhigen.
Und wie habe ich ihm geholfen? Ich weiß noch, dass mich diese Frage gestern am meisten umgetrieben hat. Letztlich habe ich ihm einfach die Zeit gegeben, den Reiz einzuordnen und bin selbst ruhig geblieben, sodass er sich an mir orientieren konnte. Zwischendurch habe ich ihm die Möglichkeit gegeben, sich mit Grasfressen ein bisschen selbst zu beruhigen. Und am Ende sind wir nochmal ein Stück gerannt, zuerst am Führstrick, später nochmal ohne. Auch da war er sehr vorsichtig, was mich anging, obwohl er einmal richtiggehend explodiert ist.
Ich überlege noch, ob ich den Online Kurs von Sarah Endrich „Gelassen ins Gelände“ mache, gerade tendiere ich stark dazu, denn ich sehe noch viel Entwicklungspotenzial bei mir. Und jetzt, wo mir endlich klar wird, dass die Weigerung von Lukas, mit mir spazieren zu gehen, seiner Nervosität und der Angst vor Neuem geschuldet ist, brauche ich noch ein bisschen Anleitung, wie ich jetzt mit diesem Wissen weitermache.