31.08.2025
Meine kleine Tochter hat den Film „Drachenzähmen leicht gemacht“ nie gesehen. Dennoch haben wir uns heute lange darüber unterhalten.
In dem Film geht es um den jungen Wickinger Hicks, der seine Aufgabe, Drachen zu töten, nicht annehmen kann, weil er zu schwach ist und letztlich zu viel Mitleid hat. Dadurch schafft er es, sich mit dem gefährlichsten Drachen seiner Zeit anzufreunden und auf ihm zu reiten.
Auf die Frage seiner Freundin Astrid, warum er nicht – wie allen anderen im Dorf – den Drache getötet hat, sagte er: „Ich konnte nicht und ich wollte nicht.“
Dieser Satz macht für mich den entscheidenden Wendepunkt aus. Einen Wendepunkt, den ich auch im Zusammenleben mit Lukas erlebt habe. Ich habe einige Monate versucht, so mit ihm umzugehen, wie ich es gelernt hatte. Mit Druck und in dem Gedanken, ihm ja nichts „durchgehen“ zu lassen und immer meinen Willen durchzusetzen, weil er mir sonst auf der Nase herumtanzen würde. Es hat aus vielen Gründen nicht funktioniert. Ich konnte den Druck bei ihm nicht immer weiter erhöhen, weil ich ihm nicht wehtun wollte. Ich konnte nicht und ich wollte nicht. Also haben wir eine andere Form des Umgangs miteinander gefunden.
Für meine Tochter ist es vollkommen logisch, dass ich Lukas mitentscheiden lasse und dass ich seine Wünsche ernst nehme. Wenn er grasen möchte, darf er das. Wenn er eine Pause braucht, bekommt er sie. Wenn er etwas nicht möchte, machen wir das nicht. Sie findet es aber auch faszinierend, dass er die „Macht“, die ich ihm damit gebe, nicht ausnutzt. Dass er freiwillig vom Grasen zurückkommt und wieder mitmacht. Ohne, dass wir ihn dazu gezwungen oder auch nur ermuntert hätten.
Auch wenn ich Menschen davon erzähle, die nichts mit Pferden zu tun haben, finden sie diese Art des Umgangs vollkommen logisch. Sie schütteln verständnislos den Kopf und halten es für verrückt, wenn ich sage, dass der normale Umgang mit Pferden ein anderer ist. Dass sämtliche „Meinung“ des Pferdes ignoriert wird und ein Nein nicht nur manchmal übergangen, sondern systematisch überstimmt wird, damit das Pferd gar nicht erst lernt, dass es Nein sagen könnte.
Doch auch ich fand es mal normal, dass Pferde das machen müssen, was der Mensch von ihnen will, andernfalls sind sie faul oder aggressiv oder wild. Als ob ein Pferd grundsätzlich dumm und selbstzerstörerisch wäre. Auch ich habe Lukas angetrieben, wenn er im Roundpen nicht traben oder galoppieren wollte, ohne zu hinterfragen, warum er das nicht macht. Es war eben normal. Die Stimme im Hinterkopf war leicht zu ignorieren. Ich habe mich selbst für inkonsequent gehalten, wenn ich sein „Nein“ akzeptiert habe und mir manchmal sogar Vorwürfe deswegen gemacht.
Diese Zeit ist noch gar nicht so lange her.
Und jetzt? Jetzt gehen wir sanft und freundlich miteinander um. Unser größtes Problem beim Training heute war, dass meine Tochter und ich irgendwann aufhören wollten, Lukas aber einfach auf dem abgeräumten Roundpen stehen geblieben ist und uns angesehen hat, als wollte er fragen: „Warum hört ihr schon auf? Es war doch gerade so lustig.“
Ich bin jedenfalls froh, dass wir jetzt da sind, wo wir sind. Ich würde mir nur wünschen, mehr Pferdemenschen würden diese Erkenntnisse ebenfalls haben und der gleichberechtigte Ansatz würde sich durchsetzen.